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VEREIN

REKORD FÜR DIE EWIGKEIT

Anlässlich seines 35-jährigen Jubiläums als Trainer haben wir uns mit Ingo Kahlisch unterhalten.

Als Ingo Kahlisch sein Amt am 1. Juli 1989 antrat, stand noch die Mauer, Deutschland war geteilt und der Verein hieß noch Motor Rathenow. Die Amtszeiten von Trainern wie Otto Rehhagel (14 Jahre Werder Bremen) oder Christian Streich (12 Jahre SC Freiburg) wirken im Vergleich zu Ingo Kahlischs 35 Jahren in Rathenow geradezu bescheiden. Nach nunmehr dreieinhalb Dekaden sprachen wir mit ihm in einem kurzen Rückblick.

Ingo, wenn du an die Anfangszeit zurückblickst, was waren deine Intentionen nach Rathenow zu gehen und als Trainer bei Motor anzufangen?

Die Rathenower Optischen Werke mit den Kollegen Thiese und Gertig holten mich damals nach Rathenow und ich sollte als junger Trainer aufgebaut werden.

Wenn du die Zeit mit heute vergleichst, wie waren die Bedingungen bei Ausrüstung und Stadion damals im Vergleich zu heute?

Wir leben heute in einem Schlaraffenland. Heute kann man mit früher nicht mehr vergleichen. Trotz aller Probleme, die wir in Deutschland haben, leben wir in einem Schlaraffenland. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wie haben sich im Laufe der Jahre die Charaktere bzw. Typen der Spieler verändert - gefühlt hatten damals alle Vokuhila und Schnauzbart oder?

Ja gut, auch früher gab es schon sehr unterschiedliche Charaktere. In Rathenow z.B. haben schon immer viele russische Soldaten bzw. Offiziere gespielt. Wir waren da schon immer multikulti. Die Jungs haben uns da immer geholfen. Wenn ich da an Slawen Tschanow denke oder Andrej Botschkow, das waren schon super Fußballer und auch top Menschen. Multikulti waren wir schon immer.

Waren die Spieler früher härter, auch mental gesehen?

Ach, das kann man auslegen wie man will. Ich denke die breite Masse der Spieler lebt heute in einer Wohlstands-Gesellschaft. Das führt auch zu einer Verweichlichung, was ein Sinnbild der Gesellschaft ist. Gut aussehen ist heute wichtig.

Vom Umfeld her waren die finanziellen Mittel damals knapp und heute auch oder gab es schon mal bessere Zeiten?

In Rathenow waren die Mittel schon immer sehr knapp. Das muss man einfach so sagen. Ich kann mich ehrlich gesagt, gar nicht mehr erinnern wie wir das damals alles so hinbekommen haben. Wir hatten damals einen verschworenen „Haufen“ nach der Wendezeit. Spieler sind kaum gegangen. Und da haben wir mit den Jungs Sensationelles erreicht.

Was waren in den 35 Jahren deine persönlichen Highlights bei Optik? Welche die traurigsten?

Der Abstieg aus der Regionalliga vor zwei Jahren beim Berliner AK mit dem 7:5. Das war eine der schlimmsten Situationen für mich persönlich. Besonders eklatant war, dass obwohl noch alles möglich war, 18 Spieler bereits ihren Spint bei uns im Stadion ausgeräumt hatten. Und wenn man sieht, wo viele Spieler gelandet sind, merkt man die bedingungslose Selbstüberschätzung. Das ist eine absolute Katastrophe. Unsere Stärke war es immer die Gruppe über viele Jahre zusammenzuhalten und nur dadurch waren wir sportlich erfolgreich. Highlights gab es hingegen viele. Neben dem ersten Aufstieg in den Neunzigern in die Regionalliga (3. Liga), war sicherlich der erste Pokalsieg in Altlüdersdorf für uns alle wichtig. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei allen Unterstützern in dieser Zeit bedanken. Aber es muss natürlich weitergehen bei Optik. Wir haben geile Bedingungen, wir haben außerhalb Rathenow einen riesigen Ruf und daher wünsche ich mir mehr regionale Unterstützung.

Trotz damaliger Fitness und Kraftkreisen ist der Fußball vom Spiel her heute noch athletischer und schneller geworden. Welche Spielweise gefällt dir persönlich besser, damals oder heute?

Sport entwickelt sich immer weiter. Und der Fußball von heute gefällt mir persönlich besser. Auch weil wir bei Optik stellenweise schon besseren Fußball spielen. Wir hatten schwere anderthalb Jahre, aber die Rückrunde hat gezeigt, dass wir wieder auf einem ordentlichen Weg sind. Man muss immer die Mischung finden aus taktisch schlau spielen, wenn man nicht die Spieler hat, und erfolgreich spielen. Am Ende zählen nur die Punkte. Das ist heute so, das war vor 30 Jahren so und wird auch in 40 Jahren so sein. Und das ganze „Gequatsche“ im Fernsehen von selbsternannten Experten und Kommentatoren kann ich alles nicht mehr hören. Das macht den Fußball kaputt.

Du hast aus Optik Rathenow einen überregionalen Namen und eine Marke gemacht. Von Greifswald bis Erfurt und von Frankfurt/Oder bis Magdeburg kennt dich und damit den FSV Optik jeder Fußball-Interessierte. Wir sind von der Reichweite her der bekannteste Verein der Stadt. In der Regionalliga waren wir regelmäßig bei Sport im Osten oder im Stream zu sehen. Namen wie Lok Leipzig, Dynamo Dresden, RB Leipzig, 1. FC Magdeburg und Union Berlin waren alle am Vogelgesang. Blickst du da mit Stolz und Genugtuung auf die letzten 35 Jahre?

Ja gut, da kann man schon stolz sein. Aber für die Vergangenheit kann sich keiner etwas kaufen. Da bin ich ein anderer Mensch. Ich bin Baujahr 1956 und ich möchte mit meinem Verein immer noch etwas erreichen. Und mit allen Jungs und Mädels, die ehrenamtlich dazugehören, ist es viel angenehmer, wenn wir regelmäßig Punkte holen und gewinnen, als wenn wir Woche um Woche verlieren. Aber dazu braucht man auch in Rathenow mittlerweile mehr Geld - auch wenn das niemand in der Umgebung wahr haben möchte. Weil sonst wird man als Verein irgendwann verschwinden.

Denkst du, dieser Stolz ist in der Stadt angekommen bei Fans, Politik und Unternehmern?

Wenn ich mit vielen Menschen spreche, ist die Bereitschaft schon da. Aber wenns ums Portemonnaie geht, ist das nicht so einfach.

Zum Schluss ein kurzer Ausblick: Letzten Donnerstag startetest du in dein 36. Trainer-Jahr bei Optik. Bist du immer noch so heiß auf Fußball und deine Jungs wie vor 35 Jahren?

Es hat sich ein bisschen was verändert. Ich habe mit Sven Ahlendorf und Jerome zwei Co-Trainer, die mitmachen. Wir haben auch seit Jahren ein ordentliches Ehrenamt, die alle für den Verein sehr viel Zeit investieren. Natürlich ist das alles nicht so professionell wie bei anderen Vereinen. Dennoch bin ich stolz, dass das mit unseren Mitteln alles funktioniert. Zum Thema Motivation habe ich mich schon geäußert.