OBERLIGA
DRITTER SIEG IN SERIE
In seinem 100. Pflichtspiel für den FSV sorgt Murat Turhan kurz vor Schluss für den 3:2-Siegtreffer gegen Neubrandenburg.

"Ich bin auch froh, wenn ich Tore vorbereiten kann", hatte Murat Turhan im Interview des Stadionheftes beteuert. Aber im Jubiläumsspiel erst vom Punkt zu scheitern, um dann kurz vor Schluss selbst erfolgreich zu sein, ist dann doch was ganz Besonderes. In der 86. Minute verwertete er Optiks einzige Ecke der zweiten Hälfte per Kopf. Es war nicht das einzige Kuriosum in einem über weite Strecken spektakulären, verrückten Oberligaspiel.
"Heute war nicht gleich alles supertoll", beeilte sich Ingo Kahlisch, die Emotionen nach der Partie wieder runterzufahren. Dass seine Mannschaft im Allgemeinen und Turhan, der sein 100. Pflichtspiel für Optik bestritt, im Besonderen von den Fans gefeiert wurden, konnte und wollte er damit aber nicht verhindern. Nur richtig einordnen solle man den am Ende sogar etwas glücklichen Erfolg doch bitteschön.
Aber der Reihe nach: Mit der gleichen Anfangsformation wie in Rostock zeigte Rathenow gegen ganz tief stehende Gäste 45 Minuten eine Leistung vom Feinsten. Da beide Außenverteidiger hinten fast unbeschäftigt waren, schalteten sich Martin Skrehot und Marcel Bahr immer wieder in die Offensivbemühungen ein, wodurch der FSV natürlich ein Übergewicht in der Gefahrenzone schuf. Das brachte Chancen zuhauf. Eli Balde scheiterte mit einem Fallrückzieher an Maik Bromund, Murat Turhan verfehlte beim anschließenden Eckball das Gehäuse ganz knapp. Dann machte Omid Saberdest nach tollem Pass von Joshua Breto das 1:0, als er Bromund gekonnt umspielte.
Die Gastgeber setzten nach, hetzten die Norddeutschen förmlich über den Platz. Christoph Fischer wusste sich im Strafraum gegen Jerome Leroy nur noch mit einem Foul zu helfen. Schiedsrichter Dirk Meißner aus Zahna-Elster, der sich in der anständigen Partie kaum vor Probleme gestellt sah (zwei der drei Gelben Karten gab es für Meckern), entschied sofort auf Strafstoß. Den halbhoch getretenen Ball von Murat Turhan hielt Maik Bromund(20.). Damit nicht genug, zeigte Daniel Nawotke im Gegenzug seine Sprintqualitäten und bediente den freistehenden Maciej Melerski, der nur noch zum 1:1 einschieben musste.
Nach diesem Doppelunglück nicht eingebrochen zu sein, könnte darauf hindeuten, dass da am Vogelgesang wieder ein echtes Team zusammenwächst, auch wenn Ingo Kahlisch immer noch ein wenig grummelt: "Wir müssen als Mannschaft mehr machen." Die 250 Zuschauer hatten gar keine Zeit zu schimpfen, Sekunden nach dem Ausgleich hämmerte Marcel Bahr einen Volleyschuss an den Pfosten. Kurz darauf setzte sich Marek Novak links durch, seine Hereingabe bugsierte Murat Turhan ans Außennetz. Die Rathenower erarbeiteten sich so viele Chancen, wie sonst in mehreren Spielen zusammen - und sie belohnten sich. Kurz vor der Pause bekam die FCN-Abwehr das Leder nicht aus dem Strafraum und Eliseu Balde staubte zum 2:1 ab.
"Wir haben uns in der Pause motiviert, standen ein Stück höher und machten es Rathenow schwieriger", beschrieb Daniel Nawotke die zweite Hälfte. Nawotke? Ja, der Kapitän übernahm Verantwortung nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Über 90 Minuten bester Gästespieler, vertrat er hinterher seinen grippegeschwächten Trainer Dariusz Kolacki sachlich und redegewandt auf der Pressekonferenz. Zunächst kamen die Kicker aus der Vier-Tore-Stadt zwar besser ins Spiel, aber nicht zu Chancen. Das 2:2 war ein Treffer der Marke "aus dem Nichts". Die Kopfballbogenlampe von Dennis Kühl widersprach beim Hinsehen dem Gesetz der Schwerkraft, der Ball musste eigentlich übers Tor fliegen.
Tat er aber nicht und so war nach einer Stunde alles wieder offen. Diesmal kam Optik nicht ohne Knacks davon. Köpfe und Beine wurden schwerer und so hatten die Gäste ihrerseits den Siegtreffer auf dem Fuß. Erneut bereitete Daniel Nawotke vor, war an Marcel Subke schon vorbei und legte uneigennützig ab auf Toni Schmidt. Der brachte in der 72. Minute das Kunststück fertig, das Leder über die Querlatte zu schießen. Da der Schuss des eingewechselten Shelby Printemps von Bromund per Fußabwehr entschärft wurde, schien man sich auf Rasen und Rängen mit einem Remis abzufinden. Bis dann Murat Turhan vier Minuten vor Schluss sein eigenens kleines Fussballmärchen schrieb...
Daniel Nawotke: "Wir sind mit dem Wissen nach Rathenow gereist, dass es hier ein schweres Spiel wird. Der Platz war ziemlich tief, so dass es hier schwierige Bedingungen gab. Es war auf jeden Fall ein Kampfspiel, bei dem wir zu Recht mit 0:1 in Rückstand gerieten. Kurz darauf hatten wir noch Glück, dass unser Torwart den Elfmeter pariert hat, sonst hätten wir schon früh 0:2 hinten gelegen. Auf der anderen Seite haben wir nach einem Konter den Ausgleich erzielt und kamen so gut zurück ins Spiel. Kurz vor der Pause gab es dann aber wieder ein dummes Tor zum 1:2 und mit diesem Rückstand mussten wir dann in die Kabine. Dort wurden wir dann richtig motiviert und so hat man auch gesehen, dass ein Ruck durch die Mannschaft ging. Wir hatten uns für die zweite Halbzeit vorgenommen, etwas höher zu stehen und früher auf den Ball zu gehen. Das hat Rathenow in Schwierigkeiten gebracht. Wir waren in der zweiten Halbzeit noch besser im Spiel und hatten meiner Meinung nach auch die besseren Angriffe, machen dann auch ein glückliches, aber auch verdientes Tor zum 2:2 und dann ging es in dem Spiel ein wenig hin und her. Mal ein Konter von Optik und mal einer für uns. Die beiden größten Chancen hatten aber wir. Eine davon hätten wir mindestens nutzen müssen, dann führen wir hier 3:2. Aber bei dem Spiel war klar, wer das nächste Tor macht, wird auch gewinnen. Leider haben nicht wir das Tor gemacht, bekommen durch den kopfballstärksten Spieler auf dem Platz das 2:3 und verlieren hier unglücklich. Wir wären hier mit einem Punkt zufrieden gewesen, sind auch mit diesem Ziel angereist. Unsere Serie ist nun leider gebrochen, was sehr schade ist, aber wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen und heute haben wir eben zusammen verloren, damit müssen wir leben. Ich ärgere mich trotzdem sehr darüber, aber wir werden weiter trainieren und das schöne am Fußball ist ja, dass wir am nächsten Freitag wieder die Chance haben wenigstens unsere Heimserie auszubauen, es gegen Malchow besser zu machen und nicht zu verlieren."
Ingo Kahlisch: "Auch wir haben gewusst, dass das heute ein schweres Spiel wird. Vor allem im Abwehrverhalten habe ich über 90 Minuten Probleme gesehen. Teilweise waren aber, gerade in der ersten Halbzeit, viele gute Angriffe über Außen dabei. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Und wenn du im Spiel das 2:0 nicht machst, dann bekommst du den Ausgleich, so ist Fußball. Nach hinten raus war es dann ein Kampfspiel, in dem Neubrandenburg noch zwei dicke Möglichkeiten hatte. Aber ich denke im Laufe der 90 Minuten hatten wir noch ein paar Chancen mehr. Ich denke, vieles läuft bei uns noch nicht rund, da müssen wir als Mannschaft mehr machen. Aber hätte mir einer vor drei bis vier Wochen gesagt, dass wir heute so gut da stehen, ich hätte es nicht geglaubt. Damals hatten wir nur acht bis neun Mann, das darf man nicht vergessen. Die Mannschaft wird weiter arbeiten. Nur weil wir heute gewonnen haben, ist nicht gleich alles supertoll. Wir schauen Schritt für Schritt nach vorne. Ich weiß nicht, was alle träumen, aber Fußball ist harte Arbeit und nicht etwa Glück. Das muss man sich alles hart erarbeiten. Wir haben noch drei, vier verletzte Spieler, eigentlich alles Stammspieler, die eine richtige Qualität haben. Aber davon waren heute zwei nicht mal im Stadion, das finde ich schon sehr merkwürdig. Es gibt also noch viele Probleme, die wir gemeinsam aus dem Weg räumen müssen, um das Schiff wieder hinzukriegen. Vor allem aber ist es wichtig, dass wir nach dem Abstieg nicht irgendwo mit drei Punkten am Tabellenende stehen und alles auseinanderbricht."
Rathenow: Subke - Bahr, Delvalle Silva, Wilcke, Skrehot - Leroy, Novak (G/75. Oumari) - Said Balde, Breto (78. Printemps), Saberdest - Turhan
Neubrandenburg: Bromund - Meincke, Buschke, Fischer, Träger - Schmidt, Hecht - Melerski, Freyer (V), Kühl (82. Czech/G) - Nawotke
Tore:
1:0 Saberdest (15.)
1:1 Melerski (21.)
2:1 Said Balde (44.)
2:2 Kühl (67.)
3:2 Turhan (86.)